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Inhaltsverzeichnis:
1. (0000)
2. Auf Beutejagd (2002)
3. Die Stereo-Verseuchung (2002)
4. Der Ohrenmensch (2003)
5. Herbe Litschi-Kanten (2003)
6. Ministeriale Hör-Arbeit (2003)
7. Schöner hören (2003)
8. Das sentimentalische Hören (2004)
9. Das kannibalische Hören (2004)
10. Das Unter-Wasser-Hören (2004)
11. Das therapeutische Hören (2004)
12. Embryo-Träume (2005)
13. Mars macht mobil (2005)
14. Herr Schall (2005)
15. Hören darf nicht stören (2005)
16. Avantgarde entdecken (2006)
17. Die Grammatik des Buchhörens (2006)
18. Schlafen mit Musik (2007)

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Vom Hören (9)

Nicht nur Luft transportiert Schallwellen. Sicherlich haben Sie mal in einem musikverwöhnten Thermal-Erlebnisbad relaxt die Ohren unters Wasser gesteckt und der anderen, der tiefer sprudelnden Wahrheit der Klangkunst gelauscht. Ahnten Sie da etwas von der wild-romantischen auralen Welt der Aquariumfische, die zu Hause neben dem DVD-Player wohnen? Auch die Hörschnecke in unserem Innenohr ist mit einer Flüssigkeit gefüllt. Sie nimmt die Schwingungen des Trommelfells auf, bewegt dadurch die Härchen des Cortischen Organs und löst so Nervenimpulse an die Schläfenlappen des Gehirns aus. Alles, was wir hören, ist dankenswerterweise durch diese wässrige Perilymphe gedrungen, und so bleibt uns die traumatische Erfahrung erspart, dass die Berliner Philharmoniker im Extra-dry-Sound an ein heiseres Froschkonzert erinnern.

Das Unter-Wasser-Hören

In Japan hat man herausgefunden, dass destilliertes Wasser die musikalischen Informationen, die durch es hindurchschwingen, sogar abspeichert. Verschiedene Wasserbehälter wurden zwischen zwei Lautsprecherboxen gestellt, mit klassischer und meditativer Musik beschallt und danach eingefroren. Dann hat man die Kristallstrukturen des Wassers fotografiert. Wenn ich meinem – was Wasserkristalle angeht – ungeübten Blick vertrauen darf, so kristallisierte Chopin deutlich eckiger als Mozart, Meditationsmusik deutlich verspielter als eine Bach-Arie. In einem Bericht der Zeitschrift "Raum&Zeit" heißt es: "Wundervolle Kristalle zeigten sich, nachdem das Wasser mit Beethovens Pastorale-Symphonie bespielt wurde." Und für die, die nur von Wasser etwas verstehen, ist hinzugefügt: "Dies ist eines von Beethovens bekanntesten Werken, ein glänzendes, frisches und fröhliches Stück." Frisch und fröhlich sind wohl auch die Worte "Let’s do it", denn deren Wirkung auf Wasserkristalle sah so ziemlich genauso aus wie die Beethovens.

Viele denken bei der Kombination von Wasser und Musik nicht etwa an Händel, sondern an Schnorchel. Jetzt kann man die mit elektronischem Blubber unterlegten Video- und Dia-Abende über die bunten Urlaubsfischchen schon beim Schnorcheln selbst antizipieren. Der Aqua-Lung Radio-Schnorchel für 99 Euro (ohne Batterien) liefert beim Live-Anblick farbenprächtiger Fischschwärme schon "die passende Urlaubsmusik". Zwar gelangt der Schall nur über den Mund und die Gesichtsknochen ans Innenohr, dafür besteht das Mundstück aus 100 % Silikon: "antiallergisch, softig, alterungs- und formbeständig". Den puren Unter-Wasser-Hörgenuss bietet dagegen der Swimmingpoolunterwasserlautsprecher für 898 Euro. Wir erfahren: "Das Medium Wasser überträgt Töne in einer Qualität, die mit der Übertragung des Schalls in der Luft nicht zu vergleichen ist." Reservieren Sie sich also rechtzeitig einen vorderen Platz im "Unterwasserkonzertsaal" und vergessen Sie die dicke Sauerstoffflasche nicht. Die Pastorale dauert rund 40 Minuten.

Bleibt noch die Frage: Wie klingt Beethoven in einem gefüllten Rotweinfass? Oder in Hühnerbrühe? Oder in Ziegenmilch? Und welche Hör-Sensationen erwarten uns eigentlich in Gasen, die nicht der Zusammensetzung der irdischen Atmosphäre entsprechen? Im dämmrigen Kohlendioxid der Venus, im nebligen Wasserstoff des Saturn oder im Stickstoff-Argon-Methan-Gemisch des Titan? Werden wir es je erfahren?

© 2004, 2008 Hans-Jürgen Schaal

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