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Inhaltsverzeichnis:
1. (0000)
2. Auf Beutejagd (2002)
3. Die Stereo-Verseuchung (2002)
4. Der Ohrenmensch (2003)
5. Herbe Litschi-Kanten (2003)
6. Ministeriale Hör-Arbeit (2003)
7. Schöner hören (2003)
8. Das sentimentalische Hören (2004)
9. Das kannibalische Hören (2004)
10. Das Unter-Wasser-Hören (2004)
11. Das therapeutische Hören (2004)
12. Embryo-Träume (2005)
13. Mars macht mobil (2005)
14. Herr Schall (2005)
15. Hören darf nicht stören (2005)
16. Avantgarde entdecken (2006)
17. Die Grammatik des Buchhörens (2006)
18. Schlafen mit Musik (2007)

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Vom Hören (3)

Immer wieder vernehmen wir den Hilferuf ratloser Eltern, die sich um die gesunde Entwicklung ihrer Kinder sorgen. Die Probleme sind vielfältig: Hyperaktivität, Computeritis, Unaufmerksamkeit, Legasthenie, McDonald’s-Syndrom, chronisches Schuleschwänzen, Autismus oder HipHopismus. Neuesten Forschungen zufolge liegt die Ursache für juvenile Entwicklungsstörungen oft tiefer, nämlich in einer aurikular-auditiv-akustischen Präfixierung der kindlichen Psyche. Wir helfen Ihnen, diese Problematik früh zu erkennen und ihr gerecht zu werden.

Der Ohrenmensch

Liebe Eltern! Es ist wichtig, dass Sie schon in den ersten Lebenswochen Ihres Kindes seine Reaktionen auf die Umwelt genau beobachten. Sollte Ihr Baby dem Klang von Rasseln und Spieluhren mehr Aufmerksamkeit schenken als dummen Bällen und dem albernen Grinsen der Oma, kann dies ein erstes Indiz sein. Erkennt es den Vater am Badinerie-Motiv seines Handys und nicht an seiner langweiligen Krawatte, liegt der Verdacht sehr nahe, dass unter Ihrer Obhut ein Ohrenmenschlein heranwächst. Viele dieser Kinder können Automarken am Klang des Motors unterscheiden, noch bevor sie die Farben gelernt haben. Bei Einschlafproblemen versuchen Sie es besser nicht mit Mozart. Stellen Sie einen Farbfernseher ins Kinderzimmer. Mit abgedrehtem Ton.

Die auditiv-aurikular-akustische Präfixierung geht gewöhnlich einher mit visueller Naivität. So wie viele Menschen bei rhythmischen Geräuschen unweigerlich zu hopsen beginnen, reagiert der Ohrenmensch stereotyp auf optische Reize. Hochhäuser, kitschige Landschaften, Computerbildschirme oder Wolkenformationen üben eine geradezu hypnotisierende Wirkung auf ihn aus. Für die Details des Tafelbilds in der Schule hat er dagegen wenig Verständnis. Leicht entgeht ihm auch der Sinn von Lehrerworten, wenn vor dem Fenster des Klassenzimmers eine Amsel singt oder der Doppler-Effekt einer Feuerwehrsirene zu hören ist. Grundsätzlich sollten Sie auf alle Ermahnungen Ihres kleinen Ohrenmenschen verzichten, solange irgendwo Musik läuft. Er hört Sie nicht.

Es könnte sein, dass Sie Ihr Kind einmal im Einkaufstrubel verlieren. Regen Sie sich nicht auf: Sie finden es sicherlich am Marktplatz vor der peruanischen Mariachi-Truppe aus Paraguay. Bitte erwarten Sie nicht, dass es abends dem Vater von den bunten Kostümen und der dunklen Haut der Musiker berichten wird. Wahrscheinlich hat es die Rohrzahl der Panflöten gezählt oder die Schläge zwischen dem Einsetzen der beiden kleinen Gitarren. Ein untrügliches Indiz ist auch der Umgang mit Liedern. Wenn Ihr Kind im Frühjahr Weihnachtslieder anstimmt und zum Frühstück gerne "Guten Abend, gut’ Nacht" singen möchte, wissen Sie, dass es noch nie auf den Text geachtet hat. Das ist der Grund, warum viele Komponisten keinerlei Gespür für die Banalität der Worte entwickeln, die sie vertonen. Finden Sie sich also damit ab: Ihr Kind hat kein Talent zum Politiker oder Fußballkommentator. Auch wird es Talkshows und Kriminalromane, diese Gipfelhöhen der westlichen Zivilisation, immer kotzlangweilig finden. Sparen Sie lieber schon mal auf ein Klavier.

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