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Rockidelity

Spock’s Beard: Brief Nocturnes And Dreamless Sleep (2013)

Von Adrian Teufelhart

Echte „Trekkies“ wissen, worauf der Bandname anspielt: auf jene Episode von „Star Trek“, in der der Vulkanier Mister Spock einen Bart trägt. Die Episode spielt in einem Parallel-Universum, es ist ein Parallel-Spock. Das mag nun wiederum erklären, warum die Band diesen Namen wählte: Sie benimmt sich, als hätte der Kunstrock der frühen und mittleren Siebziger weitergelebt. Als wären die Prog-Paradiese der damaligen Yes, Genesis, ELP, King Crimson, Gentle Giant usw. nicht kurz danach von Disco, Punk und Heavy Metal verwüstet worden. Als könnte man einfach da weitermachen, wo „Tarkus“, „Red“ und „Octopus“ zu Hause waren. Als lebte man in einem Parallel-Universum der Rockgeschichte.

Spock’s Beard gründeten sich 1992 in Los Angeles. Da waren die meisten der fünf Mitglieder keine experimentellen Jungrocker mehr, sondern reife, erfahrene Musiker und – wie alle, die als Teenager den klassischen Artrock miterlebt haben – bereits in ihren Dreißigern. Mit Spock’s Beard erfüllte sich diese Generation verspätet einen Traum: ProgRock schien sich zu vollenden, und zwar melodischer, technischer, vielseitiger denn je. Nach zehn Jahren allerdings nahm Neal Morse – Symbol, Frontmann, Sänger, Komponist, Texter und Multi-Instrumentalist der Band – seinen Abschied. Gott rief ihn zu neuen Aufgaben. Ein Zittern lief durch die SB-Gemeinde: War das das Ende? Doch Nick D’Virgilio, der Drummer und Youngster der Band, entpuppte sich als einer der betörendsten Sänger der Szene und entwickelte bei sich und den anderen ungeahnte Komponisten-Talente: Der Traum vom Parallel-Universum ging weiter. Dann, wieder zehn Jahre später, stieg auch D’Virgilio aus, diesmal rief das Show-Unternehmen Cirque du Soleil. Und nun?

„Brief Nocturnes And Dreamless Sleep“ ist der dritte Start für die Band. Der neue Frontmann – Ted Leonard von Enchant – klingt zuweilen, wenn er die Kopfstimme bemüht, zwar wie ein austauschbarer Rocksänger, aber in den gedämpften Passagen ahnt man schon ein gewisses Etwas. Ungebrochen scheint die fast barocke Lust der Band, markante Motive herauszuschleudern und sie farbenfroh miteinander zu verschränken, halb titanisch, halb bizarr – das macht bis jetzt niemand besser. Auch schöne Mittelteile gibt es, mal sogar einen folkloristischen Walzer („A Treasure Abandoned“). Das stärkste Stück allerdings ist „Afterthoughts“ mit dem Wechselgesang im 7/4-Takt und der polyphonen Chor-Etüde à la Gentle Giant. Und doch ist das nur die dritte (und schwächste) Inkarnation einer Nummer von 1996. Gibt es Zukunft? Ja. Auf der Bonus Disc verstecken sich einige wilde, groteske, fantastische Einfälle. Und die externen Helfer der letzten Jahre sind alle noch an Bord, sogar Neal Morse mischt mit. Es ist noch alles drin.

Erschienen in: Fidelity 8 (2013)
© 2013, 2019 Hans-Jürgen Schaal


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