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Musikwissen
C wie Celesta
(2020)

Von Hans-Jürgen Schaal

Ein Klavier mit dem süßen Klang eines Glockenspiels – das ist die Celesta, wörtlich: die Himmlische. Einen Vorläufer davon („Aiuton“) verwendete Mozart schon 1791 als „Papageno-Glockenspiel“ in der „Zauberflöte“. Weitere Entwicklungen waren das Typophone (1866) und das Dulcitone (1874). Schließlich, 1886, erfand der Harmonium- und Orgelbauer Victor Mustel die Celesta – sie wurde auf der Pariser Weltausstellung 1889 präsentiert, neben Eiffelturm, Edison-Phonograph und Daimler-Motor. Das Besondere an der Celesta sind die filzbezogenen Hämmerchen, die komplexe Klaviermechanik und die hölzernen Resonatoren unter den Stahlplatten. Diese Resonatoren verstärken den Klang und dämpfen die Obertöne. Bereits 1890 stellte auch die deutsche Firma Schiedmayer eigene Celesten nach Mustels Patent her. Heute ist Schiedmayer weltweit die letzte verbliebene Firma, die die „echte“ Celesta baut – mit bis zu fünfeinhalb Oktaven Tonumfang.

Verwendung gibt es für das Instrument genug. Tschaikowsky lernte es 1891 bei einem Zwischenhalt in Paris kennen und hat es in seinem „Nussknacker“ bereits unsterblich gemacht – vor allem mit dem „Tanz der Zuckerfee“. Die Celesta fand auch Eingang ins Perkussions-Arsenal der Orchester und ist bei Britten, Gershwin, Mahler, Puccini, Ravel, Schostakowitsch und Strauss teils gut zu hören. Hervorgehoben wird das Instrument im Werktitel von Bartóks „Musik für Streicher, Schlagzeug und Celesta“. Auch in Holsts „Neptun“ (aus den „Planeten“) darf die Celesta glänzen. Gerne wird ihr weicher Glockenspielklang für Mythisches und Magisches, Traum- und Zauberhaftes herangezogen. Assoziationen mit Wasser, Licht, Geheimnis und Weihnachten liegen nahe. Geradezu idealtypisch: „Hedwig’s Theme“ in den Harry-Potter-Filmen.

In der Stummfilmzeit wurde in Kinosälen häufig Celesta spielen. Auch in Tonstudios – nicht nur in Hollywood – stand oft eine Celesta in der Ecke. Das brachte zahlreiche Musiker dazu, bei Studioaufnahmen spontan in die Tasten dieses Instruments zu greifen. Auf diese Weise entstanden berühmte Celesta-Passagen im Jazz durch Meade Lux Lewis (1941), Thelonious Monk (1956), Herbie Hancock (1967) oder Keith Jarrett (1976). Auch in einzelne Aufnahmen von Emerson Lake & Palmer, Pink Floyd, den Beatles, Stones oder Beach Boys hat sich die Celesta hineingestohlen.

© 2020, 2023 Hans-Jürgen Schaal


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